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Warum die Dose seltener zu Food Waste führt – andere Verpackungen aber schon

Nach Schätzungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft werden in Deutschland jährlich rund 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. In der Tonne landen aber nicht nur Essensreste oder abgelaufene Lebensmittel – Food Waste fällt auch in der Produktion, auf dem Feld, im Restaurant, im Supermarkt und an vielen anderen Stellen an, wo Lebensmittel gelagert, verarbeitet oder verkauft werden. Um vor allem solche Lebensmittel vor der Verschwendung zu retten, hat sich die Initiative Too Good To Go zur Aufgabe gemacht, mittels App Essen zu retten, das sonst in Restaurants, Hotels, Cafés, Bäckereien und im Supermarkt weggeworfen würde.

Lebensmittel retten per App

Aber wie funktioniert das genau? Nachdem man die „Too Good to Go“-App kostenlos heruntergeladen und sich registriert hat, bekommt man die teilnehmenden Läden in der näheren Umgebung angezeigt und erfährt, in welchen Restaurants, Hotels, Cafés, Bäckereien und Supermärkten es Essen zu retten gibt. Im jeweiligen Ladenprofil sieht man, wie viel eine Portion kostet, welche Art von Lebensmitteln in der Regel in der Überraschungstüte landen und wann die Abholzeit ist. Anschließend reserviert man sich eine Tüte, bezahlt sie direkt in der App und muss schließlich nur noch zum angegebenen Zeitpunkt zum Abholen an den jeweiligen Ort gehen.

Wir wollten von der Initiative wissen, warum die Verpackung einen wesentlichen Einfluss auf Lebensmittelverschwendung hat und warum die falsche Verpackung manchmal auch zu Verschwendung führt. Darum haben wir Laure Berment, Geschäftsführerin des deutschen Ablegers von Too Good To Go, zum Interview gebeten.

Frage: In Deutschland werden laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 11 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich weggeworfen. Wo werden Ihrer Erfahrung nach die meisten Lebensmittel verschwendet: beim Verbraucher, im Supermarkt, in der Gastronomie oder bei der Erzeugung?

Laure Berment: Lebensmittelverschwendung findet entlang der gesamten Wertschöpfungskette statt - auf dem Feld, in der Weiterverarbeitung, in der Gastronomie, im Handel und zu Hause. Das Bundesministerium hat hierzu in Deutschland eine Studie durchgeführt und festgestellt: Über die Hälfte des Food Waste findet hierzulande in den eigenen vier Wänden statt (59 Prozent). Zwei Prozent fallen in der Primärproduktion an, 15 Prozent in der Verarbeitung, 17 Prozent in der sogenannten Außer-Haus-Verpflegung und 7 Prozent im Handel.

Frage: Warum werden so viele Lebensmittel, die im Grunde noch genießbar sind, eigentlich entsorgt?

Laure Berment: Auch hier sind die Gründe sehr vielfältig: von Unkenntnis und Missverständnissen zum Thema Haltbarkeit und richtige Lagerung, über Fehlkalkulationen, Erwartungshaltungen an perfekt aussehendes Obst und Gemüse bis hin zu rechtlichen Hürden zur Weitergabe von Lebensmitteln. Das trifft beispielsweise bei zubereitetem Essen, das einwandfrei genießbar ist, aber aus hygienerechtlichen Gründen oder aus Gründen der Kühl- und Wärmepflicht entsorgt werden muss, statt es zu spenden, zu. So landen einwandfreie und wertvolle Lebensmittel in der Tonne.

In jedem Bereich fällt aus ganz unterschiedlichen Gründen jede Menge Food Waste an. Unsere App ist eine Möglichkeit, wie jede*r von uns ganz konkret im Alltag aktiv werden kann, um Lebensmittel vor der Tonne zu retten. Beispielsweise können über unsere App Restaurants, Bäckereien, Hotels und Cafés unter anderem zubereitete Speisen, die sie aus den genannten rechtlichen Gründen nicht anderweitig weitergeben dürfen, anbieten und müssen diese nicht entsorgen. Wir wissen, dass die App allein nicht ausreicht, um das riesige Problem des Food Waste zu lösen. Aufklärungs- und Bildungsarbeit sowie die Zusammenarbeit mit der Politik sind weitere wichtige Bausteine. Auch in diesen Bereichen ist Too Good To Go tätig - beispielsweise mit der „Oft länger gut“-Kampagne oder mit Initiativen wie „Städte gegen Food Waste“.

Frage: Wie sehr hat die Verpackung eines Lebensmittels einen Einfluss auf seine Haltbarkeit?

Laure Berment: Das ist stark von der Art der Verpackung abhängig. Die neueste Studie der Non-Profit-Organisation WRAP hat festgestellt, dass Plastikeinwegverpackungen anders als bisher immer angenommen, wenig bis gar keinen Einfluss auf die Verlängerung der Haltbarkeit von Gemüse und Obst haben. Und darüber hinaus sogar für mehr Food Waste sorgen, weil:

a) die Verpackung die Käufer*innen dazu bringt, meist mehr zu kaufen als sie eigentlich brauchen, beispielsweise fünf abgepackte Zucchinis statt nur die zwei notwendigen. Die Verpackung gibt quasi vor, wie viel Kund*innen kaufen müssen. Und dieses zu viel landet später in der Tonne. Unter anderem auch, weil die Käufer*innen nicht hinterherkommen, dieses Zuviel zu verarbeiten, bevor die Lebensmittel verderben.

b) die meisten Menschen sich eher auf das aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) verlassen als auf ihre eigenen Sinne und deshalb häufig noch einwandfreie Lebensmittel in die Tonne schmeißen.

Gleichzeitig kann aber eine Glas- oder Weißblechdosenverpackung dafür sorgen, dass beispielsweise eingemachte Lebensmittel gut verschlossen sind und damit sehr lange haltbar sind.

Frage: Welchen entscheidenden Vorteil haben Lebensmittel in Weißblechdosen in Sachen Haltbarkeit aus Ihrer Sicht?

Laure Berment: In der Regel sind die Lebensmittel in Weißblechdosen in irgendeiner Form haltbar gemacht - durch Fermentation, Salzen, Säuern, Kochen etc. Das verlängert natürlich die Haltbarkeit um ein Vielfaches und trägt dazu bei, dass Menschen zu Hause Vorräte haben können. Entscheidend ist an der Stelle, dass die Menschen einen Überblick über ihre Vorräte haben und diese rechtzeitig aufbrauchen.

In der Regel sind Lebensmittel in Weißblechdosen auch sehr viel länger haltbar, als das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) angibt - dieses garantiert ja nur eine gewisse Qualität bis zum genannten Datum. Daher haben wir den “Oft länger gut”-Hinweis ins Leben gerufen. Durch den Zusatzaufdruck “oft länger gut” in der Nähe des MHDs ermutigen wir die Verbraucher*innen dazu, auch wieder ihre Sinne einzusetzen - Schauen - Riechen - Probieren, um die Haltbarkeit von Lebensmitteln zu überprüfen.

Frage: Wie häufig müssen Lebensmittel in Weißblechdosen gerettet werden?

Laure Berment: Für die Verbraucher*innen zu Hause gilt es, sich regelmäßig einen Überblick über die eigenen Vorräte zu machen. Und schon lange eingelagerte Lebensmittel zeitnah zu verbrauchen. Denn wenn sie zu lange ungesehen im Regal bleiben, kann es eben doch sein, dass sie irgendwann einmal nicht mehr gut sind und dann in der Tonne landen.

Im Handel werden Lebensmittel in Weißblechdosen häufig dann entsorgt, wenn sie das MHD erreichen. Und das obwohl sie eben oft viel länger gut sind. An der Stelle kommt unter anderem Too Good To Go ins Spiel und sorgt dafür, dass auch diese Lebensmittel noch auf dem Teller statt in der Tonne landen.

Frage: Wie kann Lebensmittelverschwendung vermieden werden?

Laure Berment: Da Lebensmittel an jedem Punkt der Wertschöpfungskette verschwendet werden, gibt es viele Anknüpfungspunkte, um Food Waste zu vermeiden. Zu Hause gilt zum Beispiel: regelmäßig die Vorräte checken, Einkaufslisten schreiben, um nur so viel zu kaufen, wie wirklich benötigt wird, frische Lebensmittel richtig lagern und bei zu viel Essen ein Restedinner mit Freunden und Familie organisieren.

Darüber hinaus ist Aufklärung und Bildung ein ganz wichtiges Thema: Wenn wir wissen, wie viele Ressourcen in die Produktion von Lebensmitteln fließen, wissen wir diese auch zu schätzen. Auch Aufklärung zum Thema Haltbarkeit und Lagerung sind wichtige Bereiche. So können wir zu Hause schon sehr viele Lebensmittel vor der Tonne retten.

Politisch sehen wir absoluten Handlungsbedarf bei der Haltbarkeitskennzeichnung - also dem MHD - sowie am Abbau von rechtlichen Hürden zur Umverteilung von überschüssigen Lebensmitteln.

Und letztendlich müssen wir hier in Deutschland auch stark an unserer Erwartungshaltung an perfekt aussehendes Obst und Gemüse arbeiten, damit auch die nicht der Norm entsprechenden Lebensmittel verkauft und verzehrt werden dürfen. Hier müssen wir uns alle an der Nase fassen und auch mal zur krummen Gurke oder dem Apfel mit Dellen beim Einkaufen greifen.

Liebe Frau Berment, vielen Dank für das Interview.

Verbraucher achten laut YouGov-Umfrage auf Vermeidung von Lebensmittelverschwendung

Viele Verbraucher achten schon jetzt darauf, weniger Lebensmittel zu verschwenden. Das hat weissblech-kommt-weiter.de in einer repräsentativen Umfrage in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut YouGov herausgefunden. 41 Prozent der Befragten geben an, dass sie inzwischen häufiger auf die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung achten. 49 Prozent sagen, dass sie unverändert häufig darauf achten, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. In Anbetracht steigender Preise für Lebensmittel im Supermarkt ist es ratsam, möglichst viel zu verwerten und zu verwenden. Wie das funktionieren kann, haben wir in einem Video für dich zusammengefasst. (Quelle: Too Good To Go)